Heute möchten wir euch einen Streitfall aus dem Stadtleben vorstellen, dem wir im ersten Moment nur mit Kopfschütteln begegnen können. Es geht um wertvolle Böden. Es geht um Nachhaltigkeit und vor allem um Weitsicht. Hören wir es gerade in der letzten Zeit an jeder Ecke, dass Karlsruhe Nachhaltigkeitsstadt werden möchte. Wenn die Stadt es ernst meint, dann geht sie auch verantwortungsvoll mit dem wenigen schon so wertvollen Ressourcen um, die sie sogar schon hat. Wir hoffen nun auf die Vernunft der Stadt.
Wir wollen euch den traurigen und anstrengenden Kampf um jedes noch so kleine Stück Land vorstellen, den der Bioland-Hof Schleinkofer gerade auszustehen hat.
Der Bioland-Hof Schleinkofer mit rund 90 Rindern, Schweinen und Getreide ist in einem der Aussiedlerhöfe in Rüppurr angesiedelt. Der einzige Bio-Milchvieh-Betrieb von Karlsruhe!
Die Rinder bekommen Futter der eigenen Felder und Wiesen und selbst angebautes Getreide. Das Sortiment des Hofes umfasst Rohmilch, selbst hergestellten Käse, Fleisch, Getreideprodukte, Eier und Gemüse, das sie zum Teil von dem Bioland-Betrieb Andreas Krieger aus Berghausen erhält. Vor 7 Jahren hat Susanne Schleinkofer den Betrieb mit rund 80 ha auf Öko-Landbau umgestellt.
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So weit so gut, denn das klingt nach einer Erfolgsstory und Karlsruhe kann stolz sein auf diesen tollen Biolandhof in unmittelbarer Nähe. Nun wenden wir uns aber mal dem Problem der Sache zu. Susanne Schleinkofer bewirtschaftet einen 5 ha großen Acker am Brunnenstückweg, zwischen der Rüppurrer Fussballgesellschaft 1904 und den Bahngleisen. Nun plant die Stadt Karlsruhe exakt auf diesem Stück Land einen neuen Sportplatz auch mit Kunstrasen für den SG Rüppurr e.V..
Mittlerweile sind die Baupläne von der Stadt veröffentlicht. Die zum Bau vorgesehene Fläche hat sich von 5 ha auf 3 ha reduziert, somit bleiben Schleinkofers noch 2 ha zur weiteren Bewirtschaftung. Eigentlich ist die Stadt bestrebt Ausgleichsflächen anzubieten. Die Möglichkeit solche zu finden wird mit der ständig zunehmenden Versiegelung mit Straßen, Gewerbe- und Wohngebieten immer schwieriger. Bis heute gibt es kein Ausgleichsflächen-Angebot, das in einer akzeptablen Entfernung zu Schleinkofers Hof liegt. Es gab letztes Jahr ein Gespräch mit OB Mentrup vor Ort, welches von Susanne Schleinkofer initiiert wurde. Zusätzlich konnte eine frühzeitige Bürgerbeteiligung im Februar erwirkt werden, indem das Stadtplanungsamt Karlsruhe den Bebauungsplan veröffentlichte und dadurch die betroffenen Parteien zu diesem Bauvorhaben Stellung nehmen konnten.
In Konsequenz dieser Flächenreduzierung muss Frau Schleinkofer die Rinder-Anzahl reduzieren und Personal entlassen. Ihr Sortiment wird dann weniger oder überhaupt keinen Käse mehr umfassen. Vielleicht wird es sich dann auch nicht mehr lohnen die Unverpackt-Läden zu beliefern oder gar den Hofladen weiter zu betreiben!
Und weiter darf man nicht vergessen, dass es sich hier um einen Boden handelt, der in mühevoller jahrelanger Arbeit eine viel bessere Bodenqualität erhalten hat. Das lässt sich leider in keinster Weise mit Ausgleichsflächen einfach so ausgleichen, sondern das dauert Jahre. Wertvoller Boden mit hoher Biodiversität ist in der Lage in seiner Biomasse CO² zu speichern und somit einen ersten wichtigen Beitrag zur CO²-Senkung zu leisten. Wie lange würde es wohl dauern, bis der neue Boden wieder soweit ist? Es zerreißt uns das Herz, zu sehen, wie dieser gute bestehende Boden unter Kunstrasen wieder erstickt und buchstäblich mit den Füßen getreten wird. Leider verwechseln manche den Boden mit einem T-Shirt, was man einfach mal umziehen kann. Denn der Vorschlag erscheint sehr skurril, dass der vorhandenen Mutterboden vor der Sportplatzbebauung abgetragen werden soll - also auf den 3ha - und auf der Restfläche verteilt werden soll - die 2 ha.
Seit einem Jahr gibt es nun tatkräftige Unterstützung für Susanne Schleinkofer. Es gründete sich die AG Schleinkofer, die mit allen Kräften für den Erhalt der Fläche kämpft. Sie hat sich für den Erhalt der 5 ha mit viel Aufklärungsarbeit am Hofladen, gegenüber den Gemeinderäten, dem Planungs- und Sport-Ausschuss, den Parteien, städtischen Ämtern und der Presse stark gemacht. Es wurden mehrere Leserbriefe in der BNN und Artikel in der Bürgerzeitung gedruckt. Erfolgreich waren eine Unterschriftenaktion mit über 3500 Unterschriften und eine Petition auf openpetition.de mit 1.647 Unterstützenden. Am Bürgerbeteiligungsverfahren bis 4. Februar 2022 hat die Gruppe mehrere Stellungnahmen eingebracht.
Geht es nach dem Aktionsplan „Bio aus Baden-Württemberg“ sollen 30 bis 40 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen bis 2030 Baden-Württembergs nach den Regeln des ökologischen Landbaus bewirtschaftet werden. Auch Karlsruhe bekennt sich mit dem Titel Biostadt dazu und möchte laut Gemeinderatsbeschluss von 2017 Ökolandbau und Biolebensmittel fördern. In Wirklichkeit kämpfen die Bio-Betriebe hier jedoch um jeden Hektar!
„Da unsere Ressource Boden endlich ist und auch die Stadt mit entsprechendem Rückgang von Flächenverfügbarkeiten konfrontiert ist, werden die Umsetzungen von Planungen und die Abwägung der unterschiedlichen Interessenslagen…zunehmend schwieriger“ (aus dem Brief des Liegenschaftsamtes vom 4. Juni 2021). Die meisten Flächen der Betriebe um Karlsruhe sind von der Stadt gepachtet. Besonders die kurzen Fristen machen den LandwirtInnen zu schaffen. (https://www.inka-magazin.de/stadtleben/nachverdichtungs-irrsinn-in-rueppurr-kunstrasenplatz-statt-bio-anbauflaechen.html). So können die Betriebe nicht planen. Investitionen oder zusätzliches Personal stellen ein hohes Risiko dar, das Überleben des Betriebs allein aufgrund der Fläche ist unsicher.
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Um für eine verträgliche Lösung zu kämpfen und den Entscheidern die Lage vor Ort zu zeigen, gab es am 11.03.2022 ein Interessenstreffen auf dem Hof Schleinkofer. Neben der AG Schleinkofer waren auch der Baubürgermeister Daniel Fluherer und Grünen-Landtagsabgeordneter Alexander Salomon sowie die Gemeinderätin der Grünen Renate Rastätter vor Ort. Außerdem waren Vertreterinnen vom Bioland-Verband und der Arbeitsgemeinschaft bäuerlicher Landwirtschaft e.V. sowie viele KundInnen, Landwirtschaftskollegen und UnterstützerInnen des Hofes Schleinkofers vertreten. Auch das BioDepot war mit eingeladen.
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Wir konnten vor Ort die verschiedenen Standpunkte hören, auch sehen, dass die politischen VertreterInnen die Situation von Schleinkofers verstehen, sich jedoch an dieser Stelle nicht klar positionieren konnten. Die wichtigste Quintessenz ist jedoch, dass es wichtig ist, alle Streitparteien an einen Tisch zu holen und gemeinsam eine verträgliche Lösung für alle zu erarbeiten. Auch das ist bisher noch nicht passiert. Nun hoffen wir auf den Erhalt dieser wertvollen Flächen. Sie dienen neben den ökologischen Vorteilen eben auch ganz stark als Leuchttürme der Stadt um Karlsruhe als echte Biostadt zu entwickeln.
Wir vom BioDepot möchten zukünftig regionale LandwirtInnen unterstützen, ihren Betrieb auch auf biologischen Anbau umzustellen. Und dazu gehört eben auch, auf die Erfahrung von Susanne Schleinkofer zu setzen und Ihre Expertise zu nutzen.
Dieser Wissenstransfer ist ein wichtiger Baustein in der Förderung gesunder Lebensmittel für die Region. Wir wären sehr traurig und auch sehr enttäuscht, wenn dieses Ziel nur eine Lippenbekenntnis bleibt und nicht zu einem echten Wandel führt.
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